Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Danke Simone für deine Einführung und ich liege los. Landkommune und Dystropie sind Begriffe,
die man spontan nicht unbedingt miteinander assoziiert. Landkommune lässt an ein
naturnahes Leben im Abgrenzung von Kapitalismus, Globalisierung und Umweltzerstörung denken,
an Selbstversorgung und Nachhaltigkeit, an Solidarität und geteiltes Eigentum,
eventuell auch an Spiritualität und Religiosität. Ihre Mitglieder distanzieren sich als intentionale
Gemeinschaft bewusst von den Beschränkungen der Kerngesellschaft, um einen alternativen
Lebensstil zu pflegen. Bei manch einem mögen die Hippies und linken Naturschützer aus der Zeit
der ersten Landkommunen in den 60er und 70er Jahren vor den inneren Auge auftauchen,
mitsamt Secondhand-Kleidung, Müsli und Rasterlocken. Manch einer mag an den verstärkten Zulauf der
Ökodörfer in den 90er Jahren denken, manch einer an die Aktionstage oder Umwelt-Trainings,
die diese heute oft für die breite Bevölkerung veranstalten. Wie auch immer, man stellt sich die
Bewohner einer Landkommune eher dynamisch und zu packend, optimistisch und idealistisch,
vielleicht auch nostalgisch und sozialromantisch vor, aber in ein dystopisches Szenario fügen sie
sich nur schwerlich ein. Auch in Spanien sind Dorfkommunen auf ähnliche Weise konnotiert.
Nach dem Ableben des Diktators Franco, der für alternative Lebensformen, gesellschaftliches
Engagement oder politische Partizipation nur wenig übrig hatte, prägt sich dort in den späten 70er
und in den 80er Jahren eine kreative, engagierte Gegenkultur aus, die neue Lebensstile und
Gemeinschaftsformen nach den jahrelangen Repressionen mit umso mehr Elan auslebt. Hieraus
resultiert nach einer Fixierung auf wissenschaftlichen Fortschritt und Technokratie in den letzten Jahren
der Diktatur auch ein reges Interesse an Umweltschutz und Begegnung mit der Natur,
die sich unter anderem in der Gründung mehrerer Eco-Aldeas niederschlägt. Ich habe die hier mal
visualisiert, die hier aufgezeichneten sind, die Gründungen der 80er und 90er Jahre allerdings nur
die von diesem offiziellen Netzwerk festgehalten sind und das muss für Spanien jetzt mal wenig heißen.
Eine weitere Hochphase erleben die Landkommune in Spanien in den 2000ern. Also hier sieht man,
dass vor allem im katalanischen Raum einiges an Zuwachs geschieht durch die ökologische Protest
Bewegungen wie Nunca Mais und die linke Öffnung des Landes unter der PSOE-Regierung ab 2004,
die mit einer generellen Stärkung der Zivilgesellschaft und der Gründung zahlreicher
NGOs einhergeht. Dieser sozialen Mobilisierung erwachsen auch die Neoruralistas, Aktivisten,
die sich in der spanischen Peripherie anzielen, verlassenen Dörfer wiederbewohnen und besetzen
und dort oftmals biologische permakulturelle Low-Tech-Landwirtschaft im kleinen Stil betreiben.
Hier zur Illustration. Diese Eco-Aldernos gelten als gegenkulturell und revolutionär,
als schräge Vögel oder Alternativlinge und man würde sie somit auch eher auf der Seite der Utopie
lokalisieren. Die vier Romane, also die drei Romane, um die es im folgenden gehen wird,
also siehe ich schon, einer davon ist eingeklammert, den muss ich leider aus Zeitgründen
weglassen, für den würde aber das, was ich ausführen werde, genauso funktionieren wie
für die anderen drei. Diese vier Texte sind allesamt in Landkommune angesiedelt und gehören
zu einer Gruppe von Werken, welche die Föyotons sogar schon aus Literatura Neoruralista bezeichnet
haben, also mit dem gleichen Wort wie die Aktivisten. Nichtsdestotrotz präsentieren
sie die Alternativgesellschaften ganz anders als soeben aufgezeigt, düster, bedrückend und inhuman.
Das Ziel meiner Ausführungen ist es zu eruieren, welchen ästhetischen Wert dieser Widerspruch
zwischen der gesellschaftlichen und literarischen Bewertung der Landkommune in den Texten besitzt
und inwiefern er als Stellungnahme zur kulturellen Rolle von Parallel- und Alternativgesellschaften
gelesen werden kann. Hierzu möchte ich zunächst ein paar theoretische Vorüberlegungen zu Parallel-
und Alternativgesellschaften in Alltag und Literatur vorausschicken. Die fallen auch ein
klein bisschen länger aus, weil das jetzt der erste Vortrag der aus Literaturwissenschaftlichen
Perspektive zu diesem Thema ist, also ich warte schon mal vor. Dann analysiere ich die Texte anhand
der zentralen thematischen Achsen, also für Landkommunen zentrale thematische Achsen, Werte,
soziale Gemeinschaft und Natur. Anschließend liefere ich Erklärungsansätze für die Produktivität
dieser Verbindung, Landkommune, Dystopie. Die soziale Kohäsion ist das Fundament des gesellschaftlichen
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:23:28 Min
Aufnahmedatum
2016-11-08
Hochgeladen am
2016-11-08 21:07:45
Sprache
de-DE